[:de]motherhood: Wann hast du’s als Mutter geschafft?[:]

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So klein und so willensstark. So schlau und so unheimlich kreativ. So frei und so unbetrübt. Genauso sollten meine Kinder sein (dürfen). Das hab ich mir immer gewünscht. Das war immer meine Vorstellung vom Mamasein. Den eigenen Leistungsanspruch, die gesellschaftlich auferlegten Leistungszwänge vor der Kinderzimmertüre zu lassen und die Kinder dabei zu unterstützen, ihre eigene kleinen Persönlichkeit  zu entfalten. Dann hab ich es als Mama geschafft, meinen Job gut gemacht. Das alles hat aber oft recht wenig mit Bullerbü-Idylle zu tun. Ja, die gibt es auch, diese wunderschönen Bullerbü-Momente. Aber die Realität, das “reallife”, wie wir es in der Social Media Generation nennen, stellt uns auf harte Proben. Es ist unordentlich, unaufgeräumt, voll mit Wäschebergen, endlos langen To Do-Listen, straffen Zeitplänen, schlechtem Gewissen, Augenringen, Schlafmangel, Pickeln und ungeputzen Fenstern. Das “reallife” – der Teil von uns, den wir nur sehr zögerlich preisgeben. Dieses reale Leben ist auch der Ort, an dem man als Mutter an seine Grenzen stößt, die Nerven verliert und seine Bilderbuchkinder an die Wand klatschen könnte, weil sie einem den letzten Nerv rauben. Ja, ihr habt richtig gehört. Ich werde euch nix von wegen “alles ist so unglaublich wunderbar, so unbeschwert” erzählen. Das ist es nicht! Wissen wir. Und dennoch lachen uns täglich aus der Kästchenbilderwelt von Instagram so viele fröhliche Kinder an, so viele beseelte Mamas mit zufriedenem Gesichtsausdruck. “Tired but happy” sind sie. Ja müde bin ich auch meistens. Happy auch oft. Aber eher nicht beides gleichzeitig. Neulich bekam ich auf Instagram eine Nachricht einer jungen Mutter, die sich völlig überfordert fühlte und mich fragte, wie ich das alles denn immer so toll schaffe? Tu ich nicht. Tut keiner. Mama sein ist ein Knochenjob. Natürlich ist es das alles Wert, keine Frage. Aber nachts um 3.00 vollgekotzte Betten zu wechseln, den drölftausendsten Trotzanfall irgendwie pädagogisch wertvoll, ohne größere Schäden und Schreiduelle zu meistern, das ist harte Arbeit und mal ehrlich extrem unsexy. Wer will schon unsexy sein und das vor der ganzen Welt?

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Die Social Media Welt ist nicht real. Es ist aber eine schöne, heile Welt, in die wir uns flüchten, wenn uns alles zuviel wird. Ein Ort, an dem wir mit all den anderen ums überleben kämpfenden Müttern in einem Boot sitzen. Dort müssen wir uns nicht gegenseitig unsere Wäscheberge zeigen. Dort können wir die schönen Momente teilen, uns in unsere kleinen Idyllen reinkuscheln, einen Kaffee trinken und durchatmen, uns gegenseitig den Rücken stärken und wenn wir ganz viel Glück haben, die Frauen hinter ihren kleinen Idyllen etwas näher kennenlernen. Und – ganz wichtig – uns mal wieder bewusst machen, dass wir es längst “geschafft” haben, das Mamasein. Wenn unsere Kinder Schreianfälle haben dürfen (ja auch im Restaurant!), weil Mama beim vierten Muffin nein sagt, wenn unsere Kinder nicht funktionieren müssen, sondern Kind sein dürfen, so lange es nur geht. Dann haben wir es geschafft. Also, ich sehe das zumindest so. Die Zeiten sind nicht einfacher geworden, seit unsere Mütter Mamas wurden. Nur anders. Die Erziehungsideale waren etwas überschaubarer als ich Kind war: Konservativ streng oder antiautoritär. Mehr gab es – zumindest bei uns in der Gegend – nicht wirklich. Antiautoritär war verpönt.

Ich denke, jede Zeit hat ihre Herausforderungen. So wie unsere Mütter schon vor uns ihr Bestes gegeben haben, versucht haben, gute Mütter zu sein, so versuchen wir das natürlich auch. Dabei ist es als Mutter gar nicht einfach, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Vieles möchte man “besser oder anders” machen, als die eigenen Eltern. Wie merkwürdig ich es als Kind immer fand, wenn Erwachsene über mich oder andere Kinder sprachen und z.B. meine Mutter fragten “und? Is sie eh eine Brave?” Damit konnte ich nie viel anfangen. Brave Kinder waren immer das Ideal. Besonders bei uns am Land. Hast du ein braves, ruhiges, gehorsames Kind, dann hast du als Mutter alles richtig gemacht. Dachte meine Mutter. War das gesellschaftliche Ideal. Ist dein Kind vorlaut, fragt “zuviel”, ist verträumt oder redet gar bei Erwachsenengesprächen mit, hast du’s als Mutter nicht geschafft. Tja, blöd gelaufen. Das Kind bekam einen strafenden Blick, die Eltern waren peinlich berührt. Es gibt viele Gründe, warum unsere Elterngeneration so stark an Gesellschaftszwänge gebunden war, sich dem Urteil Anderer so sehr ausgeliefert gefühlt hat. Die eigene Erziehung, zuwenig Zuwendung und liebevolle Kuscheleien, zu wenig “du darfst so sein, wie du bist”, zu viel “du musst so sein, wie wir es wollen”. Meine Eltern hatten es nicht leicht. Sie haben ihr Bestes gegeben und meine Geschwister und ich sind auch erwachsen geworden. Mehr noch. Obwohl ich als Kind oft den Eindruck hatte, ich muss anders sein als ich bin, durfte ich in vielen Bereichen auch wesentlich freier sein, als es Kindern heute oft möglich ist. Stundenlang allein im Wald hinterm Haus herumgeistern und alles erforschen. Das ist heute für viele keine Realität mehr. Für meine Kinder übrigens auch nicht. Wir haben keinen Wald hinterm Haus. Und auch kein Haus. Trotzdem versuche ich (tun wir das nicht alle?), jeden Tag so gut zu meistern, wie ich es schaffe. Meine eigenen Erziehungsideale im täglichen Wahnsinn so gut es geht umzusetzen und meinen Kindern eine gute Mutter zu sein.

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Meine große Tochter tat neulich im Zuge einer Aufräumdiskussion etwas, was mich glatt umgehauen hat. Sie stellte sich vor mich hin und sagte mit lauter, ruhiger, klarer Stimme: “Ich will jetzt aber nicht aufräumen, Mama. Ich will singen und mich verkleiden und dann räume ich auf.” Das allein hat mich nicht umgehauen. Aber die Tatsache, dass sie wirklich nach dem Spiel völlig freiwillig aufgeräumt hat und stolz drauf war. In solchen Momenten weiß ich, dass ich meindn Job gut gemacht habe. Meine Töchter sind selbstständige Mädchen, kleine Persönlichkeiten mit eigenem, starken Willen, einem großen Herzen und einem kreativen Kopf. Sie wissen, dass sie immer zu uns kommen können, dass wir immer hinter ihnen stehen. Job erfüllt.

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5 Kommentare

  • Wunder wunderbarer Post! Absolut herrlich! …- und die Kokosmehlblondies werden heute ausprobiert;-)!

  • Huhu Lilly,
    oh ja wie war und so toll geschrieben. Bei den vollgekotztzen Betten nachts um 3 uhr hab ich mich auch wieder gefunden :o)
    Reallife ist kein Ponyhof aber trotzdem irgendwie gut.
    gglg Sabine

  • Ein wirklich toller Text! Sehr sehr wahr und sehr reflektiert! Auch ich finde, dass social media & co. (sprich blogs, instagram, facebook etc.) fluch und segen zugleich sind. Manchmal bekommt man bilder vorgegaukelt, die der realität einfach nicht entsprechen und wenn man diese mit seinem eigenen aktuellen vielleicht chaotischen (familien-)zustand abgleicht, ist man frustriert, warum es bei einem selber nicht so easycheesy und wunderbar flutscht. andererseits ist es aber für mich auch immer eine große inspiration, zu sehen, wie es andere machen und mittlerweile sind ja auch viele sehr ehrlich und sagen offen, dass social media eben nicht das real life ist.

    • stilles bunt

      Liebe Daniela!

      Danke für deine Worte! Ja, da hast du recht, es ist ein zweischneidiges Schwert mit den sozialen Medien. Eine gesunde Portion Selbstbewusstsein und Reflexion schadet da nicht. ☺️

      Lieben Gruß,
      Lilly

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